Artikel aus der MainPost vom 3. November 2018
Schritt ins Ausland will gut abgewogen sein
Vor wenigen Tagen wurde Istanbuls neuer Flughafen eröffnet. Gudrun Theuerer vom Würzburger Unternehmen Minova freut dies aus einem besonderen Grund: Von ihrem Team stammt die Software für die Betankung der Flugzeuge. Bereits Anfang 2016 wurde das Geschäft in der Türkei angebahnt.
In der Schweiz fing alles an
Minova selbst ist allerdings schon viel länger international aktiv. Der erste große Schritt hinein in einen ausländischen Markt liegt genau 20 Jahre zurück: „Damals gründeten wir ein Tochterunternehmen in der Schweiz.“
Aktuell kooperieren Tanklagerbetreiber, Speditionen und Flughafenverwaltungen aus elf verschiedenen Ländern mit dem 22-köpfigen Team in Würzburg, das sich auf Softwarelösungen für die Mineralöllogistik spezialisiert hat. Minova hat nicht nur Partner in der Schweiz und der Türkei, sondern ist oder war auch schon in Polen, Österreich, den Niederlanden, Luxemburg, Belgien, Ungarn, Island, Saudi-Arabien, China, Turkmenistan sowie in den Vereinigten Arabischen Emiraten aktiv. „Eines unserer innovativsten Projekte war die Anbindung eines mobilen Tanklagers in Afghanistan über eine Satelliten-Verbindung“, erzählt Geschäftsführerin Theuerer.
Minova unter den Top 3 in Bayern
Weil Minova im Ausland so engagiert ist, erhält das in einer Nische tätige Unternehmen am 21. November in München eine Anerkennungsurkunde. An diesem Tag wird der Bayerische Exportpreis verliehen. Dafür hatte sich die Firma beworben. Für den ersten Platz in der Kategorie „Dienstleistungen“ reichte es zwar nicht. Doch immerhin sind die Würzburger unter den „Top 3“. „Das freut uns riesig“, strahlt die 49-jährige Wirtschaftsinformatikerin aus dem Kreis Schweinfurt.
Zu verdanken ist der Erfolg im Ausland nicht allein dem Würzburger Team. Minova kooperiert eng mit einem professionellen Geschäftsfeldentwickler. Der ist zum Beispiel für den Vertrieb in der Türkei verantwortlich und vermittelte außerdem ein chinesisches Unternehmen, das sich um Geschäftspartner im Reich der Mitte kümmert. Auch hier geht es um maßgeschneiderte Betankungslösungen: Die Würzburger Software wird zum Beispiel auf einem Flughafen in Shanghai eingesetzt.
Wie das mit den Lizenzen läuft
„Mit dem chinesischen Endkunden haben wir in diesem Fall keinen Kontakt“, schildert Theuerer. Der vom Minova-Team geschulte Kooperationspartner kauft die Lizenzen für die Software, verkauft sie weiter und bietet chinesischen Partnern vor Ort auch First-Level-Support an. Updates und Upgrades wiederum sind Sache der Würzburger. Die helfen auch, tauchen bei der Wartung knifflige Probleme auf.
Was ein IHK-Experte meint
Der im Würzburger Stadtteil Sanderau etablierte IT-Betrieb ist nach Ansicht von Kurt Treumann, Bereichsleiter „International“ bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Würzburg-Schweinfurt, vorbildlich. Möglich ist der Auslandserfolg allerdings nur, weil das Team um seine reiselustige Chefin Gudrun Theuerer so flexibel ist.
Wer außerhalb Deutschlands Geschäfte machen möchte, muss sich bewegen. Muss auf Messen und Konferenzen gehen, muss sich Zeit nehmen, um potenzielle Handelspartner zu besuchen, und regelmäßig vor Ort Kontakte pflegen. „Ich selbst bin mindestens einmal im Monat im Ausland“, sagt Theuerer.
Export aus Mainfranken: Tendenz steigend
Nicht jedes regionale Unternehmen kann und will seine Geschäftspotenziale im Ausland entwickeln. 43 Prozent beträgt die Exportquote laut Treumann in Mainfranken. Das liegt unter der bayernweiten Quote: „Doch auch bei uns hat sich der Export seit den 80er Jahren verdoppelt.“ Mit steigender Tendenz.
Anfängern in Sachen Auslandsengagement rät der Außenhandelsexperte, mit einfachen Märkten wie Österreich zu beginnen: „Die dortige Mentalität ist unserer recht ähnlich.“ Es braucht also kein interkulturelles Training, um ins Geschäft zu kommen.
Spontan geht nichts
Doch selbst Kooperationen mit Deutschlands Nachbarn sind laut Gudrun Theuerer nicht ohne. So sei es jedes Mal aufwändig, einen Mitarbeiter, der vor Ort ein Update machen soll, nach Österreich zu entsenden: „Spontan geht das nicht.“
Das beginnt damit, dass die Krankenkasse des Beschäftigten informiert sein will. Außerdem muss Theuerer mindestens eine Woche, bevor ihr Kollege nach Österreich reist, ein Formular der Zentralen Koordinationsstelle des österreichischen Bundesfinanzministeriums für die Kontrolle illegaler Beschäftigung ausfüllen. Kommt die Meldung zu spät, kann dem Betrieb eine Mahnung ins Haus flattern: „Was bei uns bereits vorgekommen ist“, so Theuerer.
"EU ist nicht zu Ende gedacht"
Jedes Land in Europa hat eigene Bestimmungen, was die Entsendung ausländischer Mitarbeiter und das Erbringen von Dienstleistungen anbelangt. „Hier ist die EU noch nicht zu Ende gedacht“, kommentiert IHK-Experte Treumann. Vor allem kleinere Betriebe tun sich schwer mit der Bürokratie.
Um ihnen zu helfen, entwickelten die Industrie- und Handelskammern in Bayern ein im Internet frei zugängliches „Dienstleistungsportal“. Das listet für jedes Land auf, welche Meldepflichten es gibt, wie Rechnungen gestellt werden müssen, welche Unterlagen entsendete Mitarbeiter vor Ort dabeihaben müssen und was arbeitsrechtlich zu beachten ist.
Durch immer bessere Fernwartung, sagt Theuerer, lässt sich mancher Auslandseinsatz vermeiden. Dennoch bleiben Aufenthalte vor Ort weiterhin wichtig. Denn nur so kann es gelingen, Kunden langfristig an sich zu binden.
Hier finden Sie den Link zum Artikel online: "Schritt ins Ausland will gut abgewogen sein"